Kartonverpackungen unter massivem Druck
Läutet das Aus für die Knallfolie das Ende des Karton-Zeitalters ein?
Auf den letzten noch wachsenden Bereich der Druckbranche – die Verpackungen – kommt nun ebenfalls Ungemach zu. Hinter der kleinen Meldung „Amazon verbannt Plastikpolster aus seinen Paketen“ steckt der Anfang einer Revolution. Der Branchenriese lässt dies unter dem Megathema Umweltschutz laufen und verkündet stolz: „Stand heute wird das Amazons größte Anstrengung zur Plastikreduzierung sein und etwa 15 Milliarden Plastik-Kissen jährlich einsparen“ – und dies, obwohl man bereits seit 2022 auf die Beutel und Luftpolster-Umschläge verzichtet.
Doch eigentlich geht es um die Transportverpackung an sich und verstärkt den Trend zur immer schlankeren Verpackung. Ziel aller großen Onlinehändler ist die Abschaffung des unökologischen Kartons.
Lukratives Geschäft mit Kartonverpackungen
Es geht bei Kartonverpackungen auch um ein lukratives Geschäft: Der Markt für Verpackungen insgesamt in der EU ist geschätzte 370 Milliarden Euro groß. Ein echter Wachstumstreiber war dabei in den vergangenen Jahren der boomende Versandhandel. Auch deshalb tobt seit Monaten eine Lobby-Schlacht um die Verpackungsregeln der EU.
Druck aus Brüssel
Grund für die Maßnahmen aller Online-Händler ist der Umweltschutz und der damit einhergehende Druck, der von der EU aus Brüssel kommt. Alle größeren Versender haben ihre Verpackungen in den vergangenen Jahren deutlich reduziert. Immer öfter verschickt Amazon Waren sogar komplett ohne zusätzliche Verpackung: Der Adressaufkleber kommt einfach auf den ohnehin vorhandenen Verpackungskarton.
Die Konkurrenz hält mit. Der deutsche Konkurrent Otto – inzwischen fast unbemerkt auch ein Online-Riese geworden – arbeitet derzeit an einer biologisch abbaubaren Alternative zu herkömmlichen Plastikverpackungen. Daran, dass Modeversender wie Zalando und About You ihre Kleidung in dünnen Plastikbeuteln versenden, haben sich die Kunden längst gewöhnt, obwohl diese Verpackung für Pakete vor der Ära der Online-Mode fast unbekannt war. Das spart Kartonverpackungen, Gewicht – und vor allem Volumen.
Auch die jungen Lieferdienste für Lebensmittel reduzieren Verpackungen: Edeka-Partner Picnic etwa liefert in Plastikkisten, die die Fahrer nach erfolgter Lieferung an den Kunden direkt wieder mitnehmen. Bei der Rewe-Beteiligung Flink sind herkömmliche Papiertüten im Einsatz.
Reduktion um 15% wird von EU verlangt
In der Summe kommen spürbare Effekte zusammen: „Seit 2015 haben wir das durchschnittliche Verpackungsgewicht pro Sendung um mehr als 41 Prozent reduziert und über zwei Millionen Tonnen Verpackungsmaterial vermieden“, gibt beispielsweise Amazon an. Die Branche will durch solche Rechnungen Bedenken der Kunden zerstreuen, der Versandhandel sei unökologischer als der Kauf im Geschäft. Studien zeigen jedenfalls, dass dank des Verzichts auf Ladengeschäfte und dorthin pendelnde Kunden der E-Commerce in der Gesamtbetrachtung dem stationären Einkauf oft überlegen ist.
Für die Ökobilanz des Versandhandels im Vergleich zu Ladengeschäften ist die Verpackung wichtig. Laut einer Studie aus dem „Journal of Cleaner Production“, auf die sich unter anderem das Umweltbundesamt (UBA) beruft, macht die Versandverpackung immerhin rund ein Viertel der spezifischen Umweltbelastung des Online-Handels aus. Das ist immerhin rund die Hälfte derjenigen Umweltbelastung, die die Lieferung auf der „letzten Meile“ zum Besteller benötigt. Die Bandbreite ist dabei groß. Das UBA nennt eine Spanne von 20 Gramm CO₂-Äquivalenten für eine kleine Faltschachtel bis zu einem Kilogramm für einen großen Karton. Zum Vergleich: Eine Tüte im Supermarkt kommt demnach auf bis zu 130 Gramm CO₂-Äquivalent.
Nötig sind solche Vorstöße auch, weil die im Frühjahr verabschiedete EU-Verpackungsverordnung die Reduzierung von Verpackungsmüll um 15 Prozent bis 2040 vorsieht. Unter anderem gibt es nun Obergrenzen für Leerraum in den Kartonverpackungen der Online-Händler.
Pflicht zu Mehrweg bei der EU gekippt
Eine ursprünglich geplante Pflicht für eine Mehrweg-Quote bei E-Commerce-Verpackungen ist allerdings nicht mehr vorgesehen. Stattdessen sollen die Verpackungen recycelbar sein – was sie in der Regel ohnehin schon sind. Außerdem sollen sie – zumindest theoretisch – zum Teil wiederverwendet werden können.
Mehrweg-Alternativen zur Einwegverpackung kommen daher weiter kaum in Gang. Zwar arbeiten Start-ups wie Heycircle aus München, das bereits in der Vox-Sendung „Höhle der Löwen“ präsentiert wurde, an wiederverwertbaren Boxen. Doch der Aufwand ist groß: Schließlich müssen die Kisten auch zurückgeschickt werden. Daher setzen größere Unternehmen erst einmal bei der internen Logistik an, in der ebenfalls große Müllmengen anfallen. Hinzu kommt, dass eine Box erst bei zehnmaliger Verwendung tatsächlich ökologisch vorteilhaft ist.
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