Kampfansage an das Eigenleben im Einkauf

Veröffentlicht von Michael Apenberg am

Der Einkauf fristet in so manchem Druckbetrieb ein Schattendasein, arbeitet abgekoppelt von den anderen Teams oder ist in professioneller Ausformung gar nicht vorhanden. Dabei ist unbestritten, dass Procurement-Profis einen großen Anteil zum Gewinn beitragen. Was sind nun die richtigen Stellhebel?

Im Einkauf liegt der Gewinn

Im Einkauf liegt der Gewinn. Diese alte Kaufmannsregel der gewerblichen Wirtschaft hat von ihrer Aktualität nichts eingebüßt. Im Unterschied zu früher geht es im beinharten Wettbewerb um die Marktführerschaft heute, aber nicht mehr nur darum Güter, Materialien und Dienstleistungen günstig zu erwerben – die Firmen brauchen ergänzend dazu eine konsistente Strategie für den Einkauf. Die Zentralisierung der Kompetenzen, stringente Prozesse und Kooperationen sind die wichtigsten Bestandteile.

Die Realität ist ganz anders

Die Realität sieht in vielen Unternehmen leider anders aus:

  • Das „Maverick Buying“, das wilde Einkaufen, ist weit verbreitet. Die Maverick-Buying-Quote liegt, einer Studie der Hochschule für Technik Wirtschaft und Kultur Leipzig zufolge, in deutschen Betrieben im Schnitt bei 25,6 Prozent. Das heißt: Für jede vierte Rechnung, die im Rahmen eines Beschaffungsprozesses für Material anfällt, liegt also keine Bestellung vor. Bestehende Einkaufsprozesse werden dabei bewusst oder unbewusst nicht beachtet.
  • Preislisten, abteilungsübergreifende Verträge und Konditionsvereinbarungen sind häufig Mangelware. Stattdessen werden alte, projektbezogene Anfragen einfach durch neue Anfragen überschrieben.
  • Wenn Preisvergleiche und Preisanalysen genutzt werden, sind diese häufig ungenau oder veraltet. Total-Cost-of-Ownership-Vergleich (TCO) und Best-Price-Analyse werden häufig nicht durchgeführt.
  • Verhandlungen werden unzureichend vorbereitet und unbefriedigend durchgeführt, auch aufgrund fehlender Weiterbildung. Das Controlling des Einkaufs wird entweder selten durchgeführt oder ist nicht vorhanden.
  • Und last but not least: Eine zentrale Instanz für alle maßgeblichen Verhandlungsprozesse gibt es meist nicht.

Schlechter Einkauf ist existenzbedrohend

Die Folgen sind mindestens gravierend, mitunter gar existenzbedrohend. Unprofessionell geführte Verhandlungen treiben die Ausgaben der Unternehmen unnötig in die Höhe.

Was liegt dem zugrunde? In vielen Firmen sind Beziehungen von Fachabteilungen zu Lieferanten historisch fest verankert, das nahezu unkontrolliert sprießende Eigenleben dieser Netzwerke wird nicht angetastet. Wenn Mitarbeiter wechseln, dann führen die neuen Kollegen die Prozesse ungeprüft fort. Hinzu kommt falsch verstandene Eigeninitiative. Die darauf angesprochenen Mitarbeiter argumentieren dann häufig mit vordergründigen Vorteilen wie höherer Flexibilität und schnellerer Geschwindigkeit. Das sich in Wahrheit dahinter häufig Bequemlichkeit und die persönliche Präferenz für genau den einen Lieferanten versteckt, wird nicht kommuniziert. Auch hier ist ein konsequentes Vorgehen des Managements mit eindeutigen Entscheidungen gefragt.

-1% im Einkauf erreicht man leichter als +5% beim Umsatz

Die Erkenntnis ist unter den betroffenen Mitarbeitern vorhanden. So bewerten im produzierenden Gewerbe nur 27 Prozent der Befragten ihre Beschaffungsaktivitäten als sehr effizient und 24 Prozent als etwas effizient, ergab eine Umfrage von Ayming im April 2021 (www.ayming.de). Mitarbeiter, die dennoch Argumente für eine Verbesserung der Einkaufsaktivitäten brauchen, können schnell mit folgenden Zahlen überzeugt werden: Wer die Einkaufskosten um nur 1 Prozent senkt, erreicht den gleichen Gewinnbeitrag wie jemand, der den Umsatz um 5 Prozent steigert. Diese Zahlen sind umso beachtlicher, weil speziell Verlage heute durchschnittlich 20 Prozent ihrer Umsätze für den Einkauf von Waren und Dienstleistungen ausgeben.

Folgende Faustregel gilt auch für Druckunternehmen:

  • Erreicht das Einkaufsvolumen über alle Leistungen und Produkte hinweg die Grenze von 1,5 Millionen Euro, sollte alle ein bis zwei Jahre ein unabhängiger Berater die Strukturen und Prozesse des Unternehmens stichprobenmäßig begutachten.
  • Bei einem Einkaufsvolumen zwischen 1,5 und 6 Millionen Euro ist es ratsam, einen Einkäufer einzustellen, der in alle relevanten Einkaufsthemen und Verhandlungen eingebunden ist.
  • Ein Gesamteinkaufsvolumen ab 6 Millionen Euro im Jahr erfordert die Etablierung einer Einkaufsabteilung im Unternehmen, geführt von einem erfahrenden Einkaufsleiter.

Einkaufsverbund als Lösung

Eine ausgereifte Strategie im Einkauf und eine entsprechende Verhandlungstaktik ist der richtige Konter auf die Herausforderungen. Damit lässt sich kosteneffizient und prozessoptimiert einkaufen, die Innovationsfähigkeit sicherstellen, der Bedarf an Material kurz-, mittel- und langfristig sicherstellen, ideale Einkaufszeitpunkte je Produkt ermitteln und Lagerkapazitäten effizient ausnutzen. Grundsätzlich sollte in diesem Modell der Einkäufer die Verhandlungsführung übernehmen. Der Leiter der Einkaufsabteilung sollte den Einkäufer bei technischen Fragen oder zähen Verhandlungen unterstützen. Ein weiterer Stellhebel für den Erfolg im Einkauf sind Kooperationen. Vor allem kleine und mittlere Firmen sollten sich zwecks eines gemeinsamen Einkaufs zusammenschließen. In der Druckindustrie helfen Einkaufsgemeinschaften, Volumen zu bündeln und dadurch niedrigere Preise zu erzwingen. Aber auch eine höhere Prozesseffizienz lässt sich erreicht – durch Standardisierung, Automatisierung und Spezialisierung.

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Michael Apenberg

Michael Apenberg berät seit 1987 Unternehmen der Medien und Druckindustrie und gehört zu den führenden Unternehmensberatern der Branche. Zuvor war er 13 Jahre in verschiedenen Managementpositionen im Verkauf und Marketing bei der Agfa-Gevaert AG, Graphic Division, Leverkusen/Antwerpen, tätig. Gemeinsam mit Dr. Klaus von Dohnanyi (Vorsitzender) war Michael Apenberg im Aufsichtsrat der a:prico AG, Hamburg (bis 30.08.2008). Seit März 2015 ist Michael Apenberg Beiratsmitglied der Beltz Rübelmann Holding GmbH & Co. KG und Stiftungsratsmitglied der Beltz Rübelmann Stiftung.